Klagen ohne Anwalt
Bei deutschen Amtsgerichten können Sie in der Regel eine Klage ohne Anwältin oder Anwalt einreichen. Hier erfahren Sie, welche Schritte für eine Klage nötig sind und wie es danach weitergehen kann.
Kurz erklärt
Amtsgerichte in Deutschland sind für bestimmte Klagen zuständig. Dazu zählen in der Regel zivilgerichtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro. Das sind Streitigkeiten zwischen Privatpersonen beziehungsweise Unternehmen. Diese werden in einem sogenannten Zivilprozess verhandelt. Dabei geht es nicht um Straftaten, sondern darum, dass eine Person von einer anderen etwas fordert. Hierzu zählen zum Beispiel Schadensersatzforderungen oder nicht bezahlte Rechnungen. Für eine Klage vor einem Amtsgericht benötigen Sie in diesen Fällen nicht zwingend eine Anwältin oder einen Anwalt.
Schritt für Schritt zur Klage
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Klage erstellen
In der Klage beschreiben Sie Ihren Fall mit genauen Angaben, was wann passiert ist. Sie nennen darin auch, was Sie von der Gegenseite fordern und warum. Sie können in der Klage bereits Beweise anbieten. Außerdem können Sie Anträge stellen, wie der Prozess vom Gericht gestaltet werden soll.
Hinweis: Sie sind dafür verantwortlich, dass Ihre Klage alle Angaben enthält, die für den Erfolg der Klage erforderlich sind. Diese Angaben müssen richtig und vollständig sein. Überprüfen Sie daher sorgfältig, ob die Voraussetzungen für Ihre Forderung erfüllt sind, bevor Sie Ihre Klage einreichen.
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Klage einreichen
Sie können die Klage über „Mein Justizpostfach“, per Post oder persönlich beim zuständigen Amtsgericht einreichen. Welches Amtsgericht für Ihren Fall zuständig ist, hängt zum Beispiel vom Sitz der Gegenseite ab. Es kann auch von dem Thema abhängen, für das Sie klagen wollen.
Beispiel: Für das Thema Fluggastrechte ist in der Regel das Amtsgericht des Start- oder Zielflughafens zuständig.In manchen Fällen kann es mehrere zuständige Gerichte geben. Grundsätzlich haben Sie dann das Recht, ein Gericht zu wählen. Unser Onlinedienst schlägt Ihnen möglicherweise aber nur ein Gericht vor.
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Gerichtskostenvorschuss zahlen
Der Gerichtskostenvorschuss wird fällig, sobald Sie die Klage einreichen – selbst wenn Sie sich es danach nochmal anders überlegen. Das Gericht schickt Ihnen in jedem Fall eine Rechnung über „Mein Justizpostfach“ oder per Post. Nur wenn Sie den Gerichtskostenvorschuss bezahlen, schickt das Gericht Ihre Klage an die Gegenseite.
Der Gerichtskostenvorschuss hängt vom Streitwert ab:
- Streitwert bis 500 €: 114 €
- Streitwert bis 1.000 €: 174 €
- Streitwert bis 1.500 €: 234 €
- Streitwert bis 2.000 €: 294 €
- Streitwert bis 3.000 €: 357 €
- Streitwert bis 4.000 €: 420 €
- Streitwert bis 5.000 €: 483 €
Zusätzlich zum Gerichtskostenvorschuss können weitere Kosten für den Prozess entstehen. Zum Beispiel:
- Wenn die Gegenseite eine Anwältin oder einen Anwalt beauftragt.
- Wenn Zeuginnen oder Zeugen aussagen.
- Wenn etwas übersetzt werden muss.
Die Kosten sind daher von Fall zu Fall unterschiedlich. Wir können nicht im Voraus sagen, wie hoch die Kosten für den Prozess genau sein werden.
Wenn Sie sich das Gerichtsverfahren nicht leisten können, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Das Gericht prüft dafür Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse. Außerdem prüft das Gericht, ob Ihre Klage Aussicht auf Erfolg hat. Hier finden Sie weitere Informationen zur Prozesskostenhilfe.
Wer die gesamten Kosten für den Prozess endgültig zahlen muss, hängt in der Regel vom Erfolg der Klage ab.
Mehr dazu erfahren Sie im Abschnitt „Wer zahlt die Kosten für den Prozess?“. - 4
Das Gericht prüft die Klage
Nachdem das Gericht Ihren Gerichtskostenvorschuss erhalten hat, prüft es zunächst Ihre Klage. Es schaut, ob die Klage bei dem richtigen Gericht eingereicht wurde. Außerdem prüft das Gericht, ob Ihre Forderung aus rechtlicher Sicht begründet ist.
Falls das Gericht nicht zuständig ist, wird es Sie in der Regel darauf hinweisen. In diesem Fall können Verzögerungen und zusätzliche Kosten für Sie entstehen.
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Das Gericht stellt die Klage an die Gegenseite zu
Das Gericht entscheidet, wie der Prozess ablaufen soll. Es stellt dann die Klage an die Gegenseite zu, die Sie in Ihrer Klage angegeben haben. Das Gericht wird in der Regel einen Verhandlungstermin festlegen oder zunächst ein sogenanntes schriftliches Vorverfahren anordnen. In jedem Fall bekommt die Gegenseite die Gelegenheit, sich zum Fall zu äußern.
Falls die Klage nicht an die Gegenseite zugestellt werden kann (zum Beispiel aufgrund einer falschen Adresse), wird das Gericht Sie darüber informieren. Das Gericht wird Sie dann in der Regel auffordern, die korrekten Angaben zur Gegenseite mitzuteilen. Möglicherweise können dadurch Verzögerungen und zusätzliche Kosten für Sie entstehen. Überprüfen Sie die Angaben zur Gegenseite daher sorgfältig, bevor Sie Ihre Klage einreichen.
Wie kann es danach weitergehen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie die Gegenseite auf die Klage reagieren kann. Üblicherweise kommen folgende Fälle in Frage:
Die Gegenseite reagiert nicht
Das Gericht kann mit der Zustellung der Klage ein schriftliches Vorverfahren anordnen. Damit fordert es die Gegenseite auf, mitzuteilen, ob sie sich gegen Ihre Klage verteidigen will. Dafür hat die Gegenseite zwei Wochen Zeit. Wenn die Gegenseite nicht rechtzeitig antwortet, kann das Gericht ein sogenanntes Versäumnisurteil fällen.
Hinweis: Das Gericht kann diese Entscheidung nur treffen, wenn Sie zuvor einen Antrag auf Versäumnisurteil gestellt haben. Das können Sie auch schon beim Einreichen Ihrer Klage beantragen. Der Antrag verursacht grundsätzlich keine Kosten.
Einfach erklärt: Wer nicht reagiert, verliert. Bei einem Versäumnisurteil entscheidet das Gericht ohne eine mündliche Verhandlung nur auf Basis der schriftlichen Angaben in Ihrer Klage. Wenn die Gegenseite nicht reagiert, geht das Gericht davon aus, dass sie nichts gegen die Klage einzuwenden hat. Das Gericht nimmt an, dass Ihre Angaben wahr sind. Es prüft dann nur noch, ob sich aus Ihrem beschriebenen Problem der geforderte Anspruch ergibt. Ist dies der Fall, verliert die Gegenseite in der Regel den Prozess, weil sie es versäumt hat, zu reagieren. Die Gegenseite muss dann in der Regel die Kosten für den Prozess bezahlen.
Es kann allerdings passieren, dass die Gegenseite Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegt. Hierfür hat sie in der Regel zwei Wochen Zeit, nachdem das Versäumnisurteil zugestellt wurde. Hat der Einspruch Erfolg, wird der Prozess in den Ursprungszustand zurückversetzt. Das heißt: Es geht an dem Punkt weiter, wo Sie waren, bevor die Gegenseite nicht reagiert hat.
Achtung: Ein Versäumnisurteil ist in beide Richtungen möglich. Es kann auch von der Gegenseite beantragt werden. Nach dem schriftlichen Vorverfahren ist ein Versäumnisurteil nämlich auch in der mündlichen Verhandlung möglich. Grundsätzlich gilt: Wer ohne Entschuldigung nicht zu einem Gerichtstermin erscheint, riskiert ein Versäumnisurteil – und muss dann in der Regel die damit verbundenen Kosten zahlen.
Die Gegenseite verteidigt sich
Die Gegenseite schickt eine Stellungnahme an das Gericht. Sie bekommen diese Stellungnahme vom Gericht. In der Stellungnahme erklärt die Gegenseite den Fall aus ihrer Sicht. Sie haben dann die Möglichkeit, darauf zu antworten. Das Gericht wird die Angaben beider Seiten berücksichtigen.
In der Regel muss das Gericht daraufhin eine mündliche Verhandlung durchführen. Für die Verhandlung erhalten Sie eine Ladung per Post oder über „Mein Justizpostfach“. In Ausnahmefällen darf das Gericht ohne eine mündliche Verhandlung entscheiden. Das kann möglich sein, wenn Sie und die Gegenseite dem zugestimmt haben oder wenn der Streitwert unter 600 Euro liegt.
Die Verhandlung kann vom Gericht als Videokonferenz durchgeführt werden. In dem Fall müssen Sie nicht vor Ort im Gericht erscheinen. Wenn Sie per Video teilnehmen möchten, können Sie einen Antrag stellen. Wenn Sie nicht per Video teilnehmen möchten, können Sie das dem Gericht ebenfalls mitteilen.
Das Gericht entscheidet am Ende, wer Recht bekommt und wer welche Kosten trägt. Mehr dazu erfahren Sie im Abschnitt „Wer zahlt die Kosten für den Prozess?“.
Die Gegenseite zahlt Ihnen Geld
Es kann passieren, dass Sie eine Zahlung von der Gegenseite erhalten, nachdem Sie die Klage eingereicht haben. Sie sollten das Gericht sofort darüber informieren und Ihre Klage anpassen. Denn: Das Gericht wird die Gegenseite nicht zu einer Zahlung verurteilen, die schon erfolgt ist.
Um Ihre Klage anzupassen, sollten Sie dem Gericht eine Nachricht mit allen wichtigen Informationen zur erhaltenen Zahlung schicken.
So könnte diese Nachricht an das Gericht zum Beispiel lauten:
„Auf die mit der Klage geltend gemachte Forderung hat die Gegenseite am (Datum) insgesamt (Geldbetrag) € gezahlt. Die Gegenseite hat angegeben, dass die Zahlung für (Verwendungszweck beschreiben) erfolgt ist. Ich möchte die Klage hiermit entsprechend anpassen.“Hinweis: Ohne die Anpassung der Klage könnten Sie den Prozess verlieren. Dann müssen Sie in der Regel alle Kosten für den Prozess bezahlen.
Das Gericht schlägt eine Einigung vor (Vergleich)
Das Gericht kann einen Vergleich vorschlagen, um den Streit ohne Urteil zu beenden. Das heißt, dass Sie sich mit der Gegenseite auf eine Lösung einigen. Im Vergleich können Sie vereinbaren, wer wem welchen Betrag zahlt. Sie können außerdem vereinbaren, wie Sie die entstandenen Kosten aufteilen. Zu den entstandenen Kosten gehören zum Beispiel auch Anwaltsgebühren, falls Sie oder die Gegenseite sich bei der Einigung anwaltliche Unterstützung holen.
Es ist wichtig, dass Sie sich gut überlegen, was Sie vereinbaren möchten. Wenn nicht beide Seiten dem Vergleichsvorschlag zustimmen, geht der Prozess normal weiter.
Wer zahlt die Kosten für den Prozess?
Einfach erklärt: Wer verliert, zahlt. Wer teilweise verliert, zahlt einen Teil.
Üblicherweise lassen sich folgende Fälle unterscheiden:
Klage hat Erfolg
Die Gegenseite wird in der Regel verurteilt, die Kosten für den Prozess zu zahlen.
Ausnahmen: Wenn es aber keinen Anlass für Ihre Klage gab, müssen Sie trotzdem alle Kosten für den Prozess zahlen. Ein Anlass kann zum Beispiel fehlen, wenn Sie die Gegenseite vorher nicht zur Zahlung aufgefordert haben. Es besteht außerdem das Risiko, dass Sie auf Ihren eigenen Kosten für den Prozess sitzen bleiben – nämlich dann, wenn die Gegenseite zahlungsunfähig ist.
Klage hat keinen Erfolg
Sie werden in der Regel verurteilt, die Kosten für den Prozess zu zahlen.
Klage hat teilweise Erfolg
Sie werden in der Regel verurteilt, zumindest einen Teil der Kosten für den Prozess zu zahlen. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt vom Umfang des Erfolgs der Klage ab.
Klage wird zurückgenommen
Sie müssen in der Regel die Kosten für den Prozess zahlen.
Ausnahme: Eine Ausnahme ist auf Antrag möglich, wenn der Anlass der eingereichten Klage frühzeitig wegfällt. Beispiel: Der Anlass fällt frühzeitig weg, wenn die Gegenseite Ihre Forderung bezahlt, bevor die Klage zustellt wurde.
Das sollten Sie im Zivilprozess unbedingt beachten
Ein Zivilprozess kann kompliziert sein – besonders, wenn Sie ohne einen Anwalt oder eine Anwältin klagen. Sie sollten einige Dinge beachten, die im Prozess auf Sie zukommen können. Wenn Sie darauf nicht richtig reagieren oder zu spät aktiv werden, kann das über den Erfolg Ihrer Klage entscheiden.
Reagieren Sie auf Stellungnahmen der Gegenseite
Im Zivilprozess ist es wichtig, auf Stellungnahmen der Gegenseite zu antworten. Diese werden häufig von Anwältinnen und Anwälten erstellt. Wenn Sie nicht klar und rechtlich begründet auf die Argumente der Gegenseite reagieren, könnte das Gericht zu Ihrem Nachteil entscheiden.
Lesen Sie daher alle Schreiben und Hinweise vom Gericht zeitnah und sorgfältig. Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie etwas nicht verstehen. Je nach Frage können Sie sich zum Beispiel direkt an das Gericht oder an eine Anwältin oder einen Anwalt wenden.
Halten Sie Fristen unbedingt ein
Das Gericht setzt Ihnen manchmal Fristen – zum Beispiel, um eine Stellungnahme abzugeben. Wenn Sie diese Fristen nicht einhalten, könnten Sie den Prozess allein deshalb verlieren. Bestimmte Fristen kann das Gericht auch nicht verlängern, selbst wenn Sie dies beantragen. Reagieren Sie daher innerhalb der Fristen, die das Gericht setzt.
Bieten Sie Beweise aktiv und rechtzeitig an
Im Zivilprozess ermittelt das Gericht nicht selbst. Das Gericht wird Beweise in der Regel nur dann berücksichtigen, wenn Sie diese von sich aus anbieten. Das bedeutet: Sie müssen selbst erklären, was passiert ist und wenn nötig auch beweisen.
Sie können Beweise schon in der Klage ankündigen und später vorlegen, wenn es nötig wird. Ein Beweis wird spätestens nötig, wenn die Gegenseite Ihre Aussagen bestreitet. Wenn Sie Beweise zu spät oder ungeeignete Beweise anbieten, können Sie den Prozess verlieren.
Welche Beweise sind möglich?
Zum Beispiel:- Zeuginnen oder Zeugen: Sie können Personen benennen, die Ihre Aussagen bestätigen. Geben Sie dazu ihre Namen und Adressen an und erklären Sie, was diese Personen bezeugen können. Beispiel: Wenn Sie zum Thema Fluggastrechte klagen, könnte eine mitreisende Person bestätigen, dass Ihr Flug verspätet war.
- Dokumente: Je nach Fall können das zum Beispiel Verträge, ärztliche Atteste oder Schreiben von der Gegenseite sein, die Sie unabhängig vom Gerichtsprozess bekommen.
- Sachverständige: Möglicherweise können Fachleute das Gericht mit ihrem Wissen bei der Beweisaufnahme unterstützen.